Die Presse (Wien)
Eine Schlacht auf "Gedeih und Verderb"
Ungarns Staatspräsident Ferenc Madl rief im laufenden Wahlkampf zur Mäßigung auf.
Von unserem Korrespondenten PETER BOGNAR
BUDAPEST. In Ungarn werden in rund einer Woche die vierten freien Parlamentswahlen seit der Wende 1989 über die Runden gehen. Die Kluft zwischen den maßgeblichen politischen Kräften des Landes ist tief. Der stellvertretende Vorsitzende der regierenden Ungarischen Bürgerpartei (Fidesz-MPP), Laszlo Kover, brachte es auf den Punkt: Der Wahlkampf sei eine Schlacht auf "Gedeih und Verderb".
In den vergangenen Wochen waren daher rüde Attacken und wütende Ausfälle gegen politische Gegner zu verzeichnen. Das Vokabular reichte von "Proleten" über "Verbrecher" bis hin zu "Vaterlandsverräter". Sogar Staatspräsident Ferenc Madl sah sich genötigt, den Parteien ins Gewissen zu reden.
Zwischen den beiden großen Parteien, der Fidesz-MPP und der oppositionellen Ungarischen Sozialistischen Partei (MSZP), haben sich die Fronten mittlerweile total verhärtet. Die regierende Fidesz-MPP hat sich in ihrer Wahlkampagne auf das Thema "Zukunft" eingeschworen. Der Spitzenkandidat der Fidesz-MPP, Ministerpräsident Viktor Orbán, hat sich lange Zeit aus dem Wahlkampf herausgehalten. Er wollte als moderner Staatsmann über dem kleinlichen Wahlgeplänkel schweben und gewissenhaft die Geschicke des Landes lenken.
Ähnliche Wahlversprechen
Als Kontrastprogramm reist der Spitzenkandidat der MSZP, Peter Medgyessy, seit Wochen mit seinem Wahlkampftroß durch das Land und präsentiert sich als "Mann der Straße". Die MSZP verspricht eine "soziale Wende". Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sieht sie seit der Machtübernahme der Fidesz-MPP 1998 massiv in Mitleidenschaft gezogen.
Unter den kleineren Parteien haben sich insbesondere der liberale Bund der Freidemokraten (SZDSZ) und die vor einigen Monaten vom ehemaligen Finanzminister Mihaly Kupa gegründete Zentrum-Partei (Centrum) profiliert. Neben diesen beiden Parteien hat auch die rechtsextremistische "Partei der Wahrheit und des Lebens" (MIÉP) gute Aussichten. Unter ihrem Vorsitzenden Istvan Csurka redet sie der "nationalen Erneuerung" das Wort und pocht unverhohlen auf die Revision der Staatsgrenzen.
In den vergangenen Wochen ist eine Flut von Versprechungen über die ungarische Wählerschaft geschwappt. Die Wahlversprechen der Parteien weichen jedoch nur in Nuancen voneinander ab. So stellen sowohl die Fidesz-MPP als auch die MSZP umfangreiche Steuer- und Abgabensenkungen, Vollbeschäftigung sowie großzügige Pensions- und Lohnerhöhungen in Aussicht.
Insgesamt vermochten acht Parteien landesweite Listen aufzustellen. Dazu zählen auch die Centrum-Partei, die Unabhängige Kleinlandwirte-Partei (FKGP), die Arbeiterpartei (MP) sowie die Neue Linke. Den letzten Meinungsumfragen zufolge hat die Fidesz-MPP einen komfortablen Vorsprung vor der MSZP. Allerdings könnte ihr bisheriger Koalitionspartner, die Kleinlandwirte-Partei, den Einzug ins Parlament verpassen. Erreicht die Fidesz-MSZP die von Orbán gewünschte absolute Mehrheit nicht, wird die ultrarechte MIÉP Unterstützung anbieten, wie Csurka bereits angekündigt hat. Erster Wahlgang am 7. April, zweiter am 21. April.