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Süddeutsche Zeitung

Panik und Propaganda des Premiers

Ungarns Regierungschef Orban kämpft für seine Wiederwahl – doch alles deutet auf einen Machtwechsel hin

Kathrin Lauer

Als letztes Mittel, um den Machterhalt seiner Partei zu sichern, hat sich Ungarns rechtskonservativer Ministerpräsident Viktor Orban eine Tarnungsstrategie ausgedacht: Seine Anhänger, derzeit auf den Straßen daran erkennbar, dass sie ein Abzeichen in den Nationalfarben am Revers tragen, sollten die so genannte Kokarda schon von Freitag an ablegen. Denn, so der Regierungschef in einem Fernsehinterview, es bestehe die Gefahr, dass die Kokarda-Träger in den Wahllokalen als Orban-Anhänger erkannt und ihre Stimmzettel von oppositionstreuen Wahlhelfern absichtlich ungültig gemacht würden. An diesem Sonntag findet die zweite Runde der Parlamentswahl in Ungarn statt.

Der 38Jahre alte Premier Orban, der als erster Regierungschef seit der Wende wiedergewählt werden will, ist offensichtlich in Panik geraten. Bei der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen hatte seine Partei Fidesz-MPP mit 41, 07 Prozent der Stimmen überraschend schlechter abgeschnitten als die oppositionellen Sozialisten und ihr Spitzenkandidat Peter Medgyessy, die 42,05 Prozent erreichten. In der zweiten Runde, bei der in einer Stichwahl über die Direktkandidaten aus 131 Wahlkreisen abgestimmt wird, entscheidet sich, welche Parlamentsfraktion die stärkste sein wird. Die Chancen stehen gut, dass es zu einem Machtwechsel kommt.

Orbans Partei müsste schon die absolute Mehrheit erhalten, um doch noch weiterregieren zu können, denn Koalitionspartner sind nicht in Sicht. Die liberale Partei SZDSZ, die mit 5,57 Prozent als einzige kleine Partei den Einzug ins Parlament schaffte, hat bereits mit der sozialistischen MSZP ein Bündnis geschlossen. Manche Umfragen signalisierten sogar, dass die Sozialisten die absolute Mehrheit erreichen könnten.

Orban hat in den vergangenen zwei Wochen in lautstarkem Stil versucht, seine Anhänger zu mobilisieren. In einer Propaganda-Show vor dem Budapester Parlamentsplatz sprach er von einem „nationalen Zusammenschluss“ und warnte erneut vor dem Großkapital, mit dem die Sozialisten im Bunde stünden. Zu der Veranstaltung waren hunderttausende Menschen gekommen, viele von ihnen aus der Provinz. Nachdem die Sozialisten in der ersten Runde vor allem in Budapest gesiegt haben, wird nun laut Ministerpräsident Orban „das Schicksal des Landes in der Provinz entschieden“.

Um zum Schluss noch Wähler zu ködern, erhöhte die Regierung Anfang dieser Woche die Renten um 4,5 Prozent und auch die Fördermittel für die Kirche. Die katholische Bischofskonferenz Ungarns dankte es in einem Hirtenbrief mit dem Aufruf, die Gläubigen mögen die Partei wählen, die für ein „gesundes nationales Selbstbewusstsein“ und für die „Werte der Ehe und Familie“ steht.

Orbans Kontrahent Medgyessy bemühte sich unterdessen um Gelassenheit. Seine Partei brauche keine Massenveranstaltungen, sagte er. Im Übrigen werde er an dem geplanten Fernsehduell mit dem Regierungschef am Ende des Wahlkampfes nicht teilnehmen. Nach dessen Tiraden gegen „das Großkapital“ gehöre es sich „für einen Gentleman“ nicht, sich mit Orban an einen Tisch zu setzen.


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Neue Zürcher Zeitung

Letzte Appelle in Ungarn vor der Wahl

Die Kampagne endet in einer Schlammschlacht

Mit gegenseitigen Verdächtigungen wegen angeblicher Diskreditierung der anderen Seite ist in Ungarn die Kampagne vor den Parlamentswahlen zu Ende gegangen. Die Sozialisten sind in der besseren Ausgangslage, doch weiss man nicht, wie der angriffige Wahlkampf, den der regierende Fidesz zuletzt geführt hat, sich auswirken wird.

A. O. Budapest, 19. April

Die Kampagne vor der zweiten Runde der Parlamentswahlen in Ungarn dauert bis Freitag um Mitternacht. Wahlmanifestationen vor dem Urnengang am Sonntag sind hernach nicht mehr zugelassen. Die oppositionellen Sozialisten (MSZP) gelten auf Grund ihrer Führung in der ersten Runde als Favoriten, zumal die Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass sie, zusammen mit dem kleinen Bund der linksliberalen Freien Demokraten, im zweiten Wahlgang mit mehr zusätzlichen Wählern rechnen dürfen als die regierenden Jungdemokraten (Fidesz). Das Rennen bleibt indessen theoretisch offen, und man fragt sich insbesondere, welche Wirkung die angriffige und sehr intensive Kampagne zeitigen wird, mit welcher der Fidesz und vorab Ministerpräsident Orban selbst zwischen den zwei Wahlrunden eine Wende herbeizuführen versuchten.

Entscheidung in der Provinz

Der Fidesz, der nach der Wahlrunde am 7. April in Budapest nur noch vereinzelte Chancen hat, gab die Hauptstadt verloren und bemühte sich in den letzten Tagen nur noch um die Provinz; in Budapest wurden zwei Grossversammlungen abgehalten mit der Absicht, über das Fernsehen auf das ganze Land einzuwirken. Der Ministerpräsident, der mit einem beträchtlichen Kraftaufwand Tag für Tag ausgedehnte Wahlreisen unternahm und mit seinen Auftritten stets auffallend grosse Menschenmengen auf die Beine brachte, betonte immer wieder, dass seine Partei am ersten Wahlsonntag in 12 von 19 Landkreisen die Mehrheit gewonnen habe und dass sich die Wahl in der Provinz entscheide.

Nach der knappen Niederlage vor zwei Wochen wechselte der Fidesz die Taktik und begann einen scharfen, direkt gegen die linken Gegner gerichteten Stil zu pflegen, der auch mit dem Anspruch einherging, nationale Werte zu verteidigen. Dies aber erlaubte den Sozialisten plötzlich, in der Rolle der überlegenen und ruhigen Wahlkämpfer aufzutreten und die unzählige Male wiederholten Anklagen des Fidesz unzählige Male zurückzuweisen: Es stimme nicht, dass sie die vom Fidesz eingeführten sozialen Vergünstigungen abschaffen würden, sie wollten sie im Gegenteil ausbauen. Orban formulierte wiederholt, eine sozialistische Regierung werde ein Kabinett des Grosskapitals sein - eine seltsam klassenkämpferisch tönende Warnung, die sich sowohl an das Wahlvolk auf der extremen Rechten als auch bei der Linken richten und ebenso ein Hinweis darauf sein könnte, dass die MSZP eine Partei des Arbeiters, aber auch des Grossunternehmers zu sein versucht.

Dass der Fidesz seine letzten Karten ausspielt und nun auch wahllos um sich schlägt, wurde beispielsweise durch den Vorwurf Orbans offenbar, die linksliberalen Freien Demokraten (SZDSZ) wollten die harten Drogen freigeben - eine Behauptung, die der SZDSZ-Vorsitzende, Kuncze, umgehend eine Lüge nannte. Die Meinungen darüber, ob sich dieser Wahlkampfstil zugunsten der Regierungspartei bezahlt machen wird oder womöglich abschreckend und kontraproduktiv wirkt, gehen auseinander.

Keine abschliessende Debatte

Eine ursprünglich geplante zweite Fernsehdebatte zwischen Orban und dem sozialistischen Spitzenkandidaten Medgyessy fand am Freitagabend nicht mehr statt, da Medgyessy die Teilnahme verweigerte. Taktisch hatte er dazu Grund, seine Erklärung aber, er, der künftige Regierungschef, werde mit Orban, dem Oppositionspolitiker, nur noch im Parlament debattieren, tönte sehr nach der Arroganz der - noch gar nicht fest eroberten - Macht. Die Wahlkampagne endete allgemein in einer Schlammschlacht der Anwürfe und Verdächtigungen. Der Fidesz erstattete am Freitag Anzeige wegen Verleumdung gegen den Vorsitzenden der Sozialisten, Kovacs, der tags zuvor behauptet hatte, die Regierungsseite lasse Millionen von falschen sozialistischen Flugblättern drucken, die in der Kampagnestille verteilt werden sollten, damit die MSZP diskreditiert werde. Ministerpräsident Orban seinerseits empfahl den Anhängern der Regierungsseite, sie sollten am Wahltag ihre in den letzten Wochen getragenen Kokarden in den Nationalfarben abnehmen, da sie sonst als Wähler des Fidesz erkennbar seien und ihre Stimmzettel manipuliert werden könnten. Die einen wie die anderen beschweren sich wegen angeblicher Versuche zur Bestechung von Wählern sowie hier und dort wegen der Zerstörung eines Parteilokals, und beide Seiten machen die andere für die im Land herrschende feindselige Atmosphäre verantwortlich.


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Frankfurter Rundschau

Die Chancen für Orban stehen eher schlecht

Bei der Stichwahl in Ungarn sprechen alle Zahlen für eine Ablösung des Premiers

Von Ulrich Glauber (Wien)

Seit seiner überraschenden Niederlage bei der ersten Runde der ungarischen Parlamentswahlen mobilisiert Premier Viktor Orban die Straße. Obwohl nach Ansicht des 38-Jährigen im Fall eines Sieges der sozialliberalen Opposition "Heimat und Familie in Gefahr" sind, wird der nationalkonservative Regierungschef das Steuer bei den Stichwahlen an diesem Sonntag wohl kaum mehr herumreißen.

Der Politiker des bürgerlichen Bundes der Jungdemokraten FIDESz, dem seine Kritiker autokratisches Machtbewusstsein und ein sehr schlechtes Verhältnis zu kritischen Medien vorwerfen, hatte sich vor der ersten Wahlrunde am 7. April weitgehend als überparteilicher Landesvater gegeben. Doch die siegesbewussten FIDESz-Politiker musste entgegen allen Vorhersagen in der Listenwahl vor knapp zwei Wochen den oppositionellen Sozialisten (MSzP), die auf 42 Prozent der Stimmen kamen, mit einem Prozent der Voten den Vortritt lassen. Daraufhin änderte der enttäuschte Premier seine Haltung.

Zwei Tage nach der Wahl organisierte FIDESz in Budapest eine Großkundgebung, auf der Orban "zur Verteidigung der Nation" aufrief. Den Sozialisten mit ihrem parteilosen Spitzenkandidaten Peter Medgyessy (59), die eine "Regierung des Groß- und Finanzkapitals" bilden wollten, unterstellte er den Ausverkauf Ungarns um egoistischer Interessen willen. Die MSzP werde sämtliche sozialen Errungenschaften seiner Regierungszeit seit 1998 wieder rückgängig machen, die Gaspreise sprunghaft erhöhen und die Studiengebühren wiedereinführen, sagte Orban. Das Versprechen der Oppositionspartei, die Rentner besserzustellen, sei Wahlkampftaktik.

Bei einer weiteren Massenveranstaltung mit mindestens einer Viertelmillion Teilnehmern beschuldigte Orban die MSzP und den linksliberalen Bund der Freien Demokraten (SzDSz), sie hätten unter Ausnutzung der ausländischen Presse ein Zerrbild von angeblichen antisemitischen und rassistischen Tönen in Ungarn gezeichnet. Viele Wähler hätten daher am 7. April Angst gehabt, ihre Stimme für das rechte Lager abzugeben. Wenn FIDESz-Sympathisanten am Sonntag zur Wahlurne gingen und möglichst noch Freunde und Nachbarn zur Stimmabgabe für die bisherige Regierungspartei überredeten, könne sich das Blatt noch wenden.

Aber alle Zahlen sprechen für eine Ablösung des Premiers. Die MSzP und ihr deklarierter Bündnispartner SzDSz, der auf 5,5 Prozent der Stimmen kam, haben bereits in der ersten Runde nach dem Verhältniswahlrecht über ihre nationalen Listen mehr Abgeordnete ins Parlament gebracht als Orbans FIDESz. Auch eroberten am 7. April 24 MSzP-Kandidaten und ein SzDSz-Bewerber mit absoluter Stimmenmehrheit einen der 176 Wahlkreise direkt. Von der FIDESz schafften nur 20 Kandidaten den Einzug ins Parlament auf Anhieb.

Am Sonntag können sich in der Stichwahl alle Kandidaten der noch nicht vergebenen Wahlkreise erneut bewerben, die in der ersten Runde mehr als 15 Prozent der Stimmen erhalten haben. MSzP und SzDSz sind ein Bündnis eingegangen, nach der Kandidaten der einen Partei zugunsten aussichtsreicher Bewerber des politischen Partners zurückziehen. FIDESz ist dagegen weitgehend auf sich gestellt.


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Berliner Zeitung

Die Schreckensvisionen des Viktor Orban

Frank Herold

BERLIN, 19. April. Ministerpräsident Viktor Orban war die Enttäuschung bei seinen Auftritten nach dem ersten Wahlgang anzusehen. Alle Umfragen hatten seinen Sieg vorausgesehen. Doch es kam anders. So versuchte Orban zwischen den beiden Runden der ungarischen Parlamentswahlen noch einmal Reserven zu mobilisieren. Aus dem ganzen Land ließ er am vergangenen Wochenende Anhänger mit Bussen und Zügen nach Budapest bringen. Zwei Millionen sollen nach Angaben seiner Parteimanager auf dem Platz vor dem Parlament zusammengekommen sein. Die Polizei schätzte die Menge auf eine halbe Million Menschen.

Nach der ersten Runde liegt die Orban-Partei Fidesz lediglich ein Prozent hinter den Sozialisten zurück, und am kommenden Sonntag muss noch über 131 der 386 Mandate entschieden werden. Auch 1998, so machte der Premier seinen Anhängern Mut, sei der Sieg gegen die Sozialisten erst im zweiten Wahlgang errungen worden. Diesmal jedoch ist das selbst theoretisch kaum noch möglich.

Die Sozialisten haben nicht nur Vorsprung, sie verfügen auch über einen Koalitionspartner: die Freien Demokraten, die 5,5 Prozent der Stimmen erhielten und ins Parlament einziehen werden. Schnell konnten sich die beiden Parteien auf ein Abkommen einigen, laut dem am Sonntag in den Wahlkreisen der jeweils besser platzierte Direktkandidat unterstützt wird. Auch Politiker der liberalkonservativen Zentrumspartei, die erst vor kurzem gegründet wurde und mit drei Prozent Stimmenanteil einen Achtungserfolg erzielt hat, signalisierten Unterstützung für eine Regierung der linken Mitte.

Orban bleibt allein zurück und malt Schreckensvisionen. Mit den Sozialisten, so wetterte er, werde das - vor allem ausländische - "Groß- und Finanzkapital die Regierung bilden und alles in Gefahr bringen, wofür wir in den letzten vier Jahren hart gearbeitet haben". Andras Inotai, ein international angesehener ungarischer Ökonom, nennt dieses Argument "völlig absurd". Die ungarische Volkswirtschaft sei schon heute nach der irischen die am meisten internationalisierte in Europa. Das "Großkapital" sei keine Gefahr für die kleinen und mittleren Unternehmer des Landes, sondern deren einzige Chance, sagte Inotai der "Berliner Zeitung". "Ungarn ist strukturell sehr gut vorbereitet und teilweise heute schon wettbewerbsfähig, um als Zulieferer in die internationalen Netzwerke eingegliedert zu werden."

Orbans zweites Argument in der Angstkampagne: Mit einem Regierungswechsel drohe vielen Ungarn der soziale Absturz. Doch gerade auf diesem Gebiet haben die Sozialisten in ihrem Wahlprogramm sehr konkrete Zusagen gemacht. So wollen sie beispielsweise sofort die Mindestlöhne steuerfrei stellen und die Gehälter im Bildungs- und Gesundheitswesen anheben.

Die Finanzierung dieser Maßnahmen wird aber schwierig werden. Nach Inotais Berechnungen hat die Orban-Regierung allein in den ersten beiden Monaten dieses Jahres mehr als ein Drittel der vom Parlament bestätigten Mittel des Staatshaushaltes für 2002 aufgebraucht. Und mancher meint, dass sich Orban auch für seinen Wahlkampf - einschließlich der Finanzierung des Massenaufmarsches am vergangenen Wochenende - aus dem Staatssäckel bedient haben könnte. Bei den Sozialisten glaubt aber niemand, dass es nach einem Wahlsieg so schlimm kommen könnte wie 1994. Damals hatte die konservative Regierung von Antall völlig leere Kassen hinterlassen.


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DER STANDARD (Wien)

Samstag/Sonntag, 20./21. April 2002, Seite 3

Konservative Wandlungen

Ungarns Premier Viktor Orbán sieht offenbar in den 1,2 Millionen Klein- und Nebenerwerbsbauern seine letzte Chance, den Trend bei der Stichwahl am Sonntag umzukehren. "Diese Wahl wird im ländlichen Raum entschieden", rief er zuletzt Anhängern bei Kundgebungen in entlegenen Winkeln des Landes zu.

Gregor Mayer

Makó/Szeged - Wo das Tiefland der Theiß in die serbische Vojvodina und ins rumänische Banat übergeht, wurde bei den Wahlen 1998 durchwegs konservativ gewählt. In allen drei Wahlkreisen der Grenzstadt Szeged gewannen die Kandidaten von Orbáns Bund Junger Demokraten (Fidesz), in Makó, berühmt für seine schmackhaften Zwiebel, der Tierarzt János Dán. Er gehört der damals mit Fidesz verbündeten Kleinlandwirte-Partei (FKGP) an.

Doktor Dán liegt diesmal nur an dritter Stelle. Die Kleinlandwirte-Partei wurde wegen der korrupten Eskapaden ihres Vorsitzenden József Torgyán in der ablaufenden Legislaturperiode praktisch vernichtet. Dán blieb in der von Orbán abrückenden Torgyán-Fraktion, weil er sein Einerwahlkreis-Mandat bei der Wahl verteidigen wollte und an die Erneuerung der FKGP nach der Ära Torgyán glaubt. Tatsächlich repräsentiert die Partei, die in der Listenwahl diesmal mit 0,7 Prozent unter die Wahrnehmungsgrenze fiel, eine Tradition, die aus dem ländlichen Raum nicht wegzudenken ist.

In Makó wird wahrscheinlich der sozialistische Bürgermeister Péter Buzás gewinnen. "Er ist gut und kompetent", räumt Dán unumwunden ein. Er hätte sich erwartet, dass die Jungdemokraten ihn unterstützen würden, "weil ich der einzige Rechte bin, der gegen Buzás eine Chance hätte". Stattdessen wurde aber Druck auf ihn ausgeübt, in der Stichwahl zugunsten des Fidesz-Kandidaten zurückzutreten.

Dán wollte das nicht. In seiner Abwesenheit erhielt seine Frau einen anonymen Drohanruf: Man würde ihnen das Haus anzünden. Zuletzt habe ein amtierender Minister aus Budapest bei ihm angerufen: "Wenn wir an der Macht bleiben, bist du erledigt!" - "Ich hätte mir nie gedacht, dass man sich zwölf Jahre nach der Wende wieder fürchten muss", sagt Dán.

In der Regionshauptstadt Szeged werden diesmal zwei Mandate an die Sozialisten gehen, nur noch das dritte könnten die Jungdemokraten gewinnen, die mit László Bartha den Bürgermeister stellen. "Ich war einmal verdammt weit rechts", sagt Rechtsanwalt István Bába. Er ist einer der wohlhabendsten Männer der Stadt und der Hauptinvestor jener schmucken Wohnparkprojekte, die am Rande der Stadt aus dem Boden schießen. Vor der Wende saßen ihm die Kommunisten im Nacken, weil er in Zeiten einer asketisch-prüden Kleinstadtmoral einen etwas dandyhaften Lebensstil zur Schau gestellt hatte - er war der erste Mensch, der mit einem Sportcabrio durch die Stadt düste.

In der Wendezeit engagierte sich Bába bei der Neubelebung der Kleinlandwirte-Partei, die ihm aber bald "zu wenig rechts" erschien. Selbst zu István Csurka, der damals im regierenden MDF eine rechts-rechte Plattform organisierte, streckte er seine Fühler aus. Diese zog er aber schnell wieder ein, als Czurka begann, antisemitische und irredentistische Phrasen zu dreschen. "So wurde ich zum freischwebenden Hintergrund-Macher", sagt Bába. Den kometenhaften Aufstieg der Jungdemokraten betrachtete er bereits mit Skepsis.

Der nationale Kapitalist Bába, der im neo-konservativen Fidesz-Imaginarium der Modellungar schlechthin wäre, bekennt sich heute als Wähler der Sozialisten. Sowohl deren lokale Kandidaten, fast alle unter 30, als auch ihr Spitzenkandidat Péter Medgyessy hätten einen guten Eindruck auf ihn gemacht. "Ich kam drauf", summiert der Weißhaarige lakonisch seine Erfahrung, "dass nicht zählt, was eine Partei sagt, sondern was für Leute sie prägen."