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Neue Zürcher Zeitung

Eine Verschärfung des Tons in Ungarn

Harte Sprache Orbans vor dem zweiten Wahlgang

Der Wahlkampf vor der zweiten Runde hat in Ungarn wieder eingesetzt. Ministerpräsident Orban, dessen Partei zum Gewinnen der Wahl die geringeren Chancen hat, gab die Zurückhaltung auf und griff an einer Grossversammlung die Gegner scharf an.

A. O. Budapest, 10. April

Die am Sonntag in der ersten Runde der Parlamentswahlen mit weniger als einem Prozent den Sozialisten unterlegenen Jungdemokraten (Fidesz) haben am Dienstagabend den Wahlkampf in Budapest mit einer Grossversammlung und einem Auftritt von Ministerpräsident Orban erneut eröffnet. Die Rede des Regierungschefs zeigte zum einen, dass der Fidesz das Ringen noch nicht verloren gibt. Die von Zehntausenden von Zuhörern bejubelte Ansprache markierte sodann, wie der Redner selber festhielt, einen Wendepunkt im Stil des Wahlkampfs. Die Kampagne war bisher schon unzimperlich geführt worden, doch der Ministerpräsident sagte nun, der Fidesz wolle fortan nicht nur seine Leistungen und Programme darlegen, sondern auch vor den Absichten des Gegners warnen.

Versuch zur Mobilisierung

Entsprechend griff Orban die Sozialisten und die linksliberalen Freien Demokraten scharf an. Er zählte namentlich eine Reihe von sozialpolitischen Massnahmen der letzten vier Jahre auf und wies darauf hin, dass die Opposition stets gegen die genannten Vorlagen gestimmt habe. Dabei legte er die Vorstellung nahe, dass die Sozialisten - wenn sie an die Macht kämen - die fraglichen wohlfahrtsstaatlichen Vergünstigungen abschaffen würden. Die im Wahlkampf gemachten Zusagen der sozialistischen Politiker, wonach sie das System von Unterstützungen zu behalten und sogar auszubauen gedenken, nannte Orban unglaubwürdig. Er entwarf auch die schwarze Vision, dass die Sozialisten, wie 1995 geschehen, ein Sparpaket zulasten der Bevölkerung verabschieden könnten.

Mit einem zweifelhaften Ausflug ins Ordnungspolitische warnte der Regierungschef zudem davor, dass die Opposition eine Regierung des Grosskapitals wäre und beispielsweise den Wunsch der Ölgesellschaft MOL erfüllen und den (zurzeit künstlich niedrig gehaltenen) Gaspreis freigeben würde. Schliesslich beschuldigte er die politischen Gegner, sie hätten bei aussenpolitischen Auseinandersetzungen etwa mit Rumänien, der Slowakei oder der EU stets die Partei der anderen Seite ergriffen. Was die Wahlchancen angeht, so hielt Orban fest, dass seine Regierung seit 1990 die erste sei, die nach einer vierjährigen Amtszeit einen Stimmenzuwachs verzeichnen könne, selbst wenn dies zum Sieg in der ersten Runde nicht ausgereicht habe. Der Auftritt von Orban diente dazu, die eigene Seite trotz dem Rückschlag zu mobilisieren und den Glauben aufrechtzuerhalten, dass der Wahlsieg am 21. April - der Fidesz müsste dazu 85 der ausstehenden 131 Mandate gewinnen - immer noch möglich sei. Orban kündigte für Samstag in Budapest (wo der Fidesz besonders schlecht abschnitt) eine Grosskundgebung an.

Werben um die Kleinen

Der Vorsitzende der Sozialisten, Kovacs, der auffallend mehr im Vordergrund steht als Medgyessy, der sozialistische Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, sprach in seiner Reaktion auf Orbans Rede von populistischen Sprüchen und einer verlogenen Entstellung der Absichten seiner Partei. Der Präsident der Freien Demokraten, Kuncze, bewertete den Auftritt als ein Zeichen der beim Fidesz ausgebrochenen Panik. Die Sozialisten und die Freien Demokraten, mit 42,1 Prozent ein grosser und 5,5 Prozent ein kleiner Partner, werden im zweiten Wahlgang mit gemeinsamen Kandidaten auftreten, wobei die Sozialisten in einigen Wahlkreisen ihre in Führung liegenden Bewerber zugunsten von bekannteren freidemokratischen Politikern zurückziehen wollen. Obwohl von der Bildung einer Regierungskoalition offiziell noch keine Rede ist, fällt die Vorstellung doch schwer, dass linksliberale Abgeordnete, die ihr Mandat überwiegend sozialistischen Wählerstimmen verdanken, hernach zu einer Regierung der Sozialistischen Partei in Opposition stehen sollten.

Wie wirksam die Wähler der Freien Demokraten in der Provinz, wo die Partei schwächer ist als in Budapest, die sozialistischen Kandidaten unterstützen werden, ist eine der Schlüsselfragen der zweiten Runde. Eine andere ist das Verhalten der Wähler der Zentrumspartei, welche den Einzug ins Parlament nicht geschafft, aber beinahe 4 Prozent erreicht hat. In dem engen Rennen werden nun auch die kleinen Formationen umworben, und in der Führung der Zentrumspartei kam es wegen angesagter Gespräche mit den Sozialisten bereits zu einer Zerreissprobe. Unsicher ist, in welchem Mass die Anhänger der mit 4,3 Prozent ebenfalls ausgeschiedenen Gerechtigkeitspartei für den Fidesz zu stimmen bereit sind. Als ein Unsicherheitsfaktor gilt sodann, wie die Gerüchte, wonach die Sozialisten auch mit den orthodoxen Kommunisten (2,2 Prozent) Gespräche führen, die auf Extremismus empfindlichen linksliberalen Wähler beeinflussen werden. Der Fidesz, der gesamthaft über kleinere zusätzliche Reserven zu verfügen scheint als die Linke, hofft auf zusätzliche Stimmen durch eine grössere Mobilisierung des Wahlvolks auf dem Lande, wo die Beteiligung in der ersten Runde niedriger war als in der Hauptstadt.

Kommentare pro und contra

Wenig hilfreich sind in diesen Tagen die Kommentare der einheimischen Tageszeitungen. Die Leitartikel enthalten anstelle von Analysen mehrheitlich parteipolitisch engagierte Stellungnahmen, die man getrost als Teil des Wahlkampfs betrachten kann. In den Blättern, die den Sozialisten und den Freien Demokraten nahestehen, liest man siegestrunkene Artikel voller Häme über die Jungdemokraten, während die - nicht sehr zahlreichen - Organe der anderen Seite die Sozialisten beschimpfen und krampfhaft behaupten, der Wahlausgang sei noch offen.

Eine wohltuende Ausnahme war in «Magyar Hirlap» ein Beitrag des Publizisten Laszlo Szale. In seinem Kommentar stellte er fest, dass sich die Mehrheit des Wahlvolks in erster Linie immer noch an der Qualität des Lebensstandards orientiert und dass man in Ostmitteleuropa, wie es scheint, Wahlen in Regierungsposition vorläufig nicht gewinnen, nur verlieren kann. Szale bezeichnete sowohl die «Rückkehr der Kommunisten» als auch das «Ende der Demokratie durch die Fidesz-Macht» als eine Lüge der Wahlpropaganda, und er machte pessimistisch auf eine optische Verwandlung aufmerksam: Die selbstgerechten Fidesz-Minen glätten sich langsam zu gewöhnlichen Zügen, während bei den anderen, die noch gar nicht gewonnen haben, an den Gesichtern bereits die Lichter einer triumphierenden Selbstsicherheit aufleuchten.


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Frankfurter Allgemeine Zeitung

Gegen das Groß- und Finanzkapital

Wie Orbán in Ungarn um die Macht kämpft / Von Matthias Rüb

BUDAPEST, 10. April. Vor dem ersten Durchgang der Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag hatte sich Ministerpräsident Viktor Orbán lange aus dem Wahlkampf herausgehalten. Erst Ende März stieg er in den Ring, bereiste das Land, sprach vor Anhängern in der Hauptstadt und vor allem in der Provinz. Das Kalkül war, möglichst lange vom Bonus des Staatsmannes zu profitieren, über dessen Auslandsreisen das regierungstreue öffentlich-rechtliche Fernsehen ohnedies ausführlich berichtete, anstatt sich in den Niederungen des Kandidatenwettbewerbs zu verbrauchen.

Doch das Kalkül ging nicht auf. Die erste Runde der Wahlen haben Orbán und seine national-konservative Bürgerliche Partei (MPP-Fidesz) gegen die oppositionellen Sozialisten verloren - wenn auch nur knapp mit einem Prozentpunkt der Zweitstimmen. Es schafften aber auch die mit den Sozialisten verbündeten Linksliberalen mit 5,54 Prozent der Stimmen den Sprung ins Parlament, und zudem haben die verbündeten Oppositionsparteien bessere Aussichten, beim Stichentscheid am 21. April auch die Mehrheit der Direktmandate in den Wahlkreisen zu gewinnen. Orbáns Aussichten, seine Abwahl noch abzuwenden, sind deshalb eher theoretisch. In Orbáns Mimik ist seit der Wahlnacht unschwer die tiefe Getroffenheit des vor den Wahlen noch siegessicheren Matadors zu erkennen.

Seit ihrem Regierungsantritt 1998 haben Orbán und sein Kreis enger Berater und Freunde aus gemeinsamen Budapester Studientagen eine Kampagne der extremen politischen Zuspitzung betrieben. Sie waren der Überzeugung, daß sich die Sozialisten, die sie als Wendekommunisten bezeichneten, auf einen zwar stabilen, aber nicht wachsenden Wählerstamm verlassen könnten. Die Sozialisten sahen sich permanenten Frontalangriffen ausgesetzt, die dem Volk von der Regierung als Vorwärtsverteidigung gegen eine mögliche Rückkehr der Altkommunisten im sozialistischen Gewand verkauft wurde: Es gehe um Fortschritt oder Restauration, Wachstum oder Rezession, Vaterlandstreue oder Verrat, kurz um "wir oder die". Damit sollten die für die bürgerliche Sache ohnedies "verlorenen" Anhänger der Sozialisten ausgeschlossen und eingedämmt werden, während alle anderen Wähler schon dem bürgerlichen Block zulaufen würden.

Diese Strategie ist gescheitert, weil eine Mehrheit der Wähler erkannt hat, daß die aus dem Reformflügel der einstigen Staatspartei hervorgegangenen ungarischen Sozialisten längst zu Sozialdemokraten geworden sind - und zwar noch vor vielen "Schwesterparteien" in anderen Transformationsstaaten der Region. Natürlich wählen die Industriearbeiter noch immer mehrheitlich sozialistisch, aber eben auch ein guter Teil des Mittelstands sowie der kulturellen und wirtschaftlichen Elite. Deshalb konnten die sich ruhig gebenden Sozialisten etwa dreimal so viele unentschlossene Wähler für sich gewinnen wie die aufgeregten Bürgerlichen. Für den Stichentscheid scheinen die Sozialisten gemeinsam mit den Sozialliberalen sogar noch Reserven mobilisieren zu können.

Der Ministerpräsident und seine Partei dagegen sind jetzt fast allein - und sie sind Gefangene ihrer eigenen Strategie. Orbán hat sich entschlossen, in den wenigen Tagen vor dem zweiten Wahlgang ganz aus der Rolle des Staatsmannes heraus- und in die des Parteiführers und Volkstribuns hineinzuschlüpfen. Mit aller Macht will er das Blatt doch noch wenden. Bei einer Veranstaltung am Dienstag abend, die vom regierungstreuen Staatsfernsehen in voller Länge direkt übertragen wurde, warnte Orbán vor gut 60 000 seiner Anhänger: "Wenn unsere Gegner an die Macht kommen, gerät alles in Gefahr, wofür wir in den vergangenen vier Jahren gearbeitet haben!" Denn unter den Sozialisten würden "das Groß- und das Finanzkapital die Regierung aufstellen", rief Orbán. Das Groß- und Finanzkapital verfolge aber "nicht die Interessen der Bürger, sondern nur seinen eigenen Nutzen". Mit fast genau den gleichen Worten hatte die an der Fünf-Prozent-Hürde gescheiterte rechtsextreme und antisemitische Gerechtigkeits- und Lebenspartei (MIÉP) Wahlkampf gegen die Sozialisten und Linksliberalen betrieben - freilich nicht ohne das Wörtchen "jüdisch" zu vergessen, wenn es um die genauere Beschreibung des nach Ungarn geflossenen Kapitals ging.

Auch die staatliche Mineralöl- und Gasgesellschaft MOL geriet ins Visier des Ministerpräsidenten: Deren Aktien seien jüngst gestiegen, weil die Sozialisten den von der bürgerlichen Regierung eingefrorenen Preis für Erdgas, mit dem in den meisten Haushalten geheizt und gekocht wird, drastisch erhöhen würden. Überhaupt drohe im Falle einer Regierungsübernahme der Sozialisten fast so etwas wie das Chaos: Die öffentliche Sicherheit sei nicht mehr gewährleistet, die Sozialleistungen für Kinder und Studenten würden gekürzt, weiche Drogen freigegeben. Orbán warf den Sozialisten vor, gegen fast alle Gesetzesvorhaben der Regierung gestimmt zu haben - und verschwieg dabei, daß dies in Demokratien nicht eben außergewöhnlich ist. Und er verschwieg, daß die Opposition meist wegen des raschen, ja überstürzten Gesetzgebungsverfahrens und vor allem wegen der drastischen Reduzierung der Zahl von Parlamentssitzungen gegen die Gesetze gestimmt hatte. Als die sozialistischen und linksliberalen Abgeordneten wieder einmal aus Protest den Sitzungssaal verlassen hatten, rief ihnen Orbán nach: "Das Parlament funktioniert auch ohne Opposition!"

Am Dienstag kam noch etwas hinzu, was kein Zufall, sondern Teil der verschärften Angstkampagne zu sein scheint. Die mit öffentlichen Zuschüssen unterstützten Wohnkredite wurden bei einigen Schaltern der staatlichen Landessparkasse OTP, der größten Bank Ungarns, nicht mehr ausgezahlt. Den Kunden wurde mitgeteilt, man möge mit dem Kreditantrag bis nach der Stichwahl warten, denn es sei nicht sicher, ob im Falle eines Regierungswechsels die staatlichen Zinsvergünstigungen erhalten blieben.

Für Samstag haben Orbán und seine Partei zu einer Großdemonstration auf dem Platz vor dem Parlament aufgerufen. Alle Anhänger sollen mobilisiert werden, zur Macht der noch amtierenden Regierung der Druck der Straße kommen. "Auf Ungarn, auf ihr Ungarn!" rief Orbán am Dienstag seinen Anhängern zu. Nur wohin?

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.04.2002, Nr. 84 / Seite 7


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Süddeutsche Zeitung

Viktor Orbans Schreckensvisionen

Kathrin Lauer

Viktor Orban, früher liberaler, heute rechtskonservativer ungarischer Ministerpräsident, sieht sein Land als künftiges Opfer des Großkapitals, falls die oppositionellen Sozialisten nach der zweiten Runde der Parlamentswahl in zehn Tagen an die Macht kommen sollten. „Die Lage ist ernst“, sagte der 38-Jährige bei einer Großkundgebung an der Budapester Sport-Fakultät vor mehreren zehntausend jubelnden Menschen. Mit seinem Gegenspieler Peter Medgyessy würde „das Groß- und Finanzkapital die Regierung bilden und alles in Gefahr bringen, wofür wir in den vergangenen vier Jahren hart gearbeitet haben“. Als schlagendes Argument nannte er die positive Reaktion der Budapester Börse kurz nach dem ersten Wahlgang vom vergangenen Sonntag. Die Aktien der ungarischen Mineralölgesellschaft Mol seien gestiegen, weil man damit rechne, dass die Sozialisten die Gaspreise anheben würden. Medgyessys Leute würden außerdem als erstes Sozialleistungen wie günstige Kredite für Wohnungsbau und kostenloses Studium streichen. Paradoxerweise bemühte Orban zugleich die Schreckensvision einer Links-Wende: Statt eines „bürgerlichen Ungarn“ stehe seinen Landsleuten ein sozialistischer Staat bevor. Orban kämpft offensichtlich verzweifelt um jede Stimme. Seine Partei Fidesz-MPP lag beim ersten Wahlgang mit 41,12 Prozent der Stimmen knapp hinter den Sozialisten, die 42,04 Prozent erzielten. Beim zweiten Durchgang entscheiden Stichwahlen unter den Direktkandidaten in 131 Wahlkreisen über die endgültige Zusammensetzung des Parlaments.


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DER STANDARD (Wien)

Donnerstag, 11. April 2002, Seite 5

Ungarische Schlammschlacht

"Sozialisten werden euch alles wegnehmen", sagt der derzeitige Premier Orbán

Gregor Mayer aus Budapest

Nach dem überraschenden Abschneiden seines Bundes Junger Demokraten (Fidesz) in der ersten Runde der ungarischen Parlamentswahlen startet der neokonservative Ministerpräsident Viktor Orbán nun eine Schlammschlacht. "Wenn die Sozialisten an die Macht kommen, werden sie euch alles wegnehmen, was wir in vier Jahren errungen haben", tönte Orbán am Dienstagabend vor Tausenden Anhängern in Budapest in Rechtsaußen-Manier: "Sie werden eine Regierung des Groß- und Finanzkapitals bilden."

Die Sozialisten würden die von den Jungdemokraten eingeführte Familien- und Wohnbauförderung abschaffen, die Studiengebühren wieder einführen und die inzwischen zurückgedrängte Kriminalität "aus Liberalität" wieder ins Kraut schießen lassen. Wie ein US-Fernsehprediger redete Orbán seinen Fans Mut zu: "Geht hinaus in den letzten Winkel des Landes, redet mit den Menschen, kommt am 21. April zur Wahl und bringt noch einen Menschen mit." Die Mobilisierung zum letzten Gefecht stellt sich der angeschlagene Premier offenbar auf der Straße vor, denn am Schluss sagte er: "Heute hat hier etwas begonnen. Es wird sich an diesem Samstag fortsetzen, weil ich das ganze Land einlade, auf den Kossuth-Platz (vor dem Budapester Parlament, Red.) zu kommen."

Tatsächlich stehen die Jungdemokraten mit dem Rücken zur Wand. Bei der Stichwahl am 21. April in den 131 noch unentschiedenen Wahlkreisen müssten sie in 85 gewinnen, um noch das Blatt zu wenden. Dies erscheint insofern unwahrscheinlich, als ihnen dazu der Partner fehlt, während die Sozialisten und die liberalen Freidemokraten am Mittwoch ein Abkommen über den wechselseitigen Rückzug von Kandidaten unterzeichneten, mit dem sie die Mandatsausbeute der gegenwärtigen Opposition noch zusätzlich steigern können.

Doch noch wird nichts unversucht gelassen. Das Regierungsblatt Magyar Nemzet schrieb am Mittwoch in dicken Lettern auf der Titelseite, dass die (staatsnahe) Landessparkasse OTP die Gewährung der eben eingeführten Wohnbaudarlehen "ausgesetzt" habe. Der Grund dafür wäre, dass "im Falle eines Regierungswechsels die staatliche Zinsunterstützung nicht mehr gesichert ist". Die Sozialisten hatten freilich schon vor der ersten Wahlrunde klargestellt, dass sie die derzeitigen Familienförderungs-und Wohnbauförderungssysteme nicht abschaffen, sondern den Kreis der Anspruchsberechtigten ausweiten wollen.

Doch auch die Indizien für die Unsicherheit der Herrschenden mehren sich. Das Management der staatlichen Entwicklungsbank (MFB), die an jeder Budgetkontrolle vorbei den Autobahnbau finanziert und die Vergabe der Bauaufträge an Fidesz-Günstlinge organisiert, hat sich gleich nach der ersten Wahlrunde laut Magyar Hírlap 100 Millionen Forint (416.000 Euro) an "Sonderprämien" zugebilligt.