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DER STANDARD (Wien)

Dienstag, 2. April 2002, Seite 4

"Die Witze handeln immer von der Macht"

Der ungarische Satiriker und TV-Star Tivadar Farkasházy im Gespräch über die kabarettreife Politik seiner Regierung, "ausgewogeneren Humor" und darüber, wie sein Premier Viktor Orbán Fußball spielt.

Gregor Mayer aus Budapest

Eigentlich hatte Tivadar Farkasházy (56) Wirtschaftsmathematik an der damals noch nach Karl Marx benannten Budapester Wirtschaftsuniversität studiert. "Aber ich bin bald draufgekommen, dass die Volkswirtschaftslehre im Realsozialismus reines Kabarett ist." So ging er lieber gleich zum echten Kabarett, und zwar beim ungarischen Rundfunk. Im Gulaschkommunismus ungarischer Prägung hatten die Spaßarbeiter etwas mehr Freiheit als anderswo im Ostblock. Der Humor sollte auch als Ventil dienen. "Man musste sich mit viel Geschick innerhalb eines gegebenen Rahmens bewegen", erinnert sich Farkasházy. Den Mathematiker in ihm reizte das Ausmessen des maximalen Spielraums.

Heute ist Humor wieder suspekt. Unter den Bedingungen der pluralistischen Demokratie geht ein Spalt durch die Gesellschaft, forciert durch die seit vier Jahren herrschende Rechte unter Premier Viktor Orbán. Das rechte und das oppositionelle links-liberale Lager sind einander entfremdeter denn je.

Farkasházy ist eine der von den Rechten am meisten gehassten öffentlichen Persönlichkeiten. Sein Humor ist scharf, präzise und intelligent. Seine Pointen entlarven die Verlogenheit und den Idiotismus, die den zu "Botschaften" gestylten Phrasen der sich "bürgerlich" nennenden neuen Elite zugrunde liegen. Sein Witz steht in der aufklärerischen Tradition eines Karl Kraus, Kurt Tucholsky oder Karl Valentin. Aus dem Rundfunkkabarett haben ihn die jungdemokratischen Machthaber, die die öffentlich-rechtlichen Medien beschlagnahmt haben, verbannt.

Andere Foren sind ihm geblieben. Er ist Herausgeber des Satiremagazins Hócipö (Schneeschuh) und wirkt in der Sendung "Heti hetes" ("Wöchentliches Septett") mit, einer Abwandlung des deutschen Comedy-Talks "Sieben Tage, sieben Köpfe", die vom privaten TV-Sender RTL Klub in Ungarn ausgestrahlt wird. In Österreich kann man diese Sendung nicht sehen.

Diese ungarische Version ist politischer als ihr deutsches Vorbild und ein Quotenhit. "Zivile Menschen können sonst im Fernsehen ihre Meinung nicht sagen", erklärt Farkasházy gegenüber dem STANDARD das Erfolgsgeheimnis. "Im Fernsehen reden sonst immer nur die Politiker." Die "Heti hetes"-Teilnehmer, neben Farkasházy prominente Schauspieler und Publizisten, reden frank und frei von der Seele weg: "Pointen und Reaktionen entstehen spontan. Oft ergeben sich ganz verrückte Assoziationsketten."

Da kam es schon vor, dass Orbán-Berater beim Sender zu intervenieren versuchten oder dass die Medienregulierungsbehörde ORTT bei Farkasházys Radiokabarett einen "ausgewogeneren Humor" anmahnte. Satiriker Farkasházy kann sich nur an den Kopf greifen: "Wie soll das gehen? Etliche jüdische Witze beginnen mit: ,Kohn und Grün fahren im Zug ...' Sollen die nun beginnen: ,Kohn und Csurka (Führer der rechtsextremen MIÉP, d. Red.) fahren im Zug ...'? Oder in einer unheildrohenderen Variante: ,Kohn und Csurka fahren im Viehwaggon ...'? Es gibt keinen ,ausgewogenen' Witz. Die Witze handeln immer von der Macht."

Der Gewitzte und der Wütende sind eine Standardsituation im Kabarett. Der Gewitzte bringt durch Beharren auf seiner (Un-)Logik den Wütenden in immer größere Rage - Stan Laurel und Oliver Hardy, Karl Valentin und Liesl Karlstadt, Bronner und Wehle. Im heutigen Ungarn, so Farkasházy, spielt die Politik den Wütenden. Für die Humoristen ist das eigentlich eine dankbare Konstellation.

Der Erfolg ist allerdings ein zwiespältiger: Farkasházy ist der erste Showman in Ungarn, dem man das Auto abgefackelt hat. "Als Satiriker genieße ich diese Situation, als Privatmensch eher weniger."

Ein erneuter Sieg der Rechten bei den Parlamentswahlen im April würde ihn deswegen mit "Besorgnis" erfüllen, sagt Farkasházy. Der amtliche Druck auf "Heti hetes" werde sicher zunehmen.

Auf den Einwand, dass der begeisterte Fußballer und lizenzierte Kreisligakicker Orbán nach der Erneuerung seines Mandates erleichtert sein und eine Ära der Entspannung einleiten könnte, winkt er ab: "Er ist nicht aus einem solchen Holz geschnitzt. Man muss sich nur ansehen, wie er Fußball spielt. Mit eingezogenem Kopf, immer stur nach vorn, nie ein Pass ..."